David Häußer gegen die deutsche Grabesruhe
In der Intro 4/2018 habe ich folgende Kolumne veröffentlicht. Die Zeitung wurde dann prompt eingestellt.
Auf der ganzen Welt knallt es, und die Deutschen ziehen sich mal wieder melancholisch in Wald und Wiesen zurück. Während in anderen Ländern #metoo sexistische Machtstrukturen aus den Angeln hebt, herrscht bei uns apathisches Schweigen. Wenn überhaupt, kreischt das deutsche phallokratische Feuilleton hysterisch auf, wenn sich eine Hochschule für eine neue Fassadengestaltung entscheidet. Veränderungen sind gefährlich, lieber nicht den »Frieden« stören. Die Stille ist aber kein Frieden, es ist bloß eine unerträgliche Grabesruhe.
Während ein benachbartes Land nach dem anderen in Richtung Faschismus abrutscht, wird in der deutschen Regierung, der GroKo (ebenfalls ein Ausdruck der deutschen Harmoniesucht), über die Bedrohung durch den Wolf debattiert. Vom lächerlich rückgratlosen Wahlkampf einmal ganz abgesehen, bei dem auch im Höhepunkt des Kanzlerduells die vermeintliche Speerspitze des deutschen Journalismus zeigen konnte, dass sie schon ziemlich weit auf AfD-Linie liegt. Und es scheint im Großen und Ganzen keine Masse von Menschen dazu zu bringen, aufzubegehren, sich zu organisieren, einzuschreiten. Pegida marschiert weiter, aber es gibt immer noch keine Gegenbewegung. Warum bloß?
Versteht mich nicht falsch, es gibt die Leute, die etwas tun. Hervorragende Menschen mit genauen Vorstellungen und richtigen Zielen, aber die übergroße Mehrheit der Deutschen macht nicht mit, sondern gehorcht dem Gelübde und schweigt. Ganz wie sie es einst nach dem Krieg gelernt haben. Das ist ein kulturelles, psychologisches und politisches Problem. Und es sollte schleunigst angegangen werden. Die Demokratie wurde in unserem Land nicht erkämpft, sondern musste von außen hergebombt werden. Das merkt man! Es wäre an der Zeit, dass sie einmal erkämpft wird, dann hat sie vielleicht eine Chance in all dem, was da noch kommen wird. Das geht aber nur über lebhaften Streit, Bewegung, Menschen, die ihren Mund aufmachen. Also hört auf, so scheiße still, abgebrüht, distanziert, cool, zynisch und weltabgewandt zu sein. Wenn der Faschismus wiederkehrt, wird er nicht sagen: »Ich bin der Faschismus«, sondern: »Ah, die Deutschen wieder. Danke, gern.«